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Ratgeber

Was die Inuit, Vampire und Dschungelcamp-Bewohner gemeinsam haben

Autor/in:
Simone Koch Dr. Simone Koch (Ärztin) Geprüft

geprüft von Sandy Bittner (Autoimmun-Expertin)
letzte Aktualisierung 15.02.2021

Nach meinem letzten Blog-Artikel gingen einige Fragen bei mir zu diesem Thema ein. Eine wirklich häufig gestellte davon war: Was ist denn mit den Inuit? Und eine andere: Und wie überleben nahezu ausschließlich fleischfressende Tiere wie Löwen, Hyänen und andere Raubtiere? Essen diese nicht tatsächlich eine so genannte „Zero Carb“-Diät?

In diesem Blog-Artikel werde ich mich nun ein bisschen mit der Lebens- und Ernährungsweise der Inuit beschäftigen. Eines vorweg: Die früher gebräuchliche Volksbezeichnung „Eskimos“ bedeutet übrigens: „Rohfleischfresser“, was zwar der Wahrheit entsprach, aber als Beleidigung gemeint war. Aus diesem Grund ist man mittlerweile zur Bezeichnung „Inuit“ = Mensch übergegangen.

Die Inuit werden heute gerne als Beispiel dafür genommen, dass es für den Menschen nicht nur problemlos möglich sei in einer dauerhaften Ketose zu leben, sondern dass es sogar gesundheitlich von Vorteil sei – schließlich sind die traditionell lebenden Inuit für eine Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 0 % und einen insgesamt hervorragenden Gesundheitszustand bekannt.

Wenden wir uns zunächst also einmal dieser Frage zu: Leben die Inuit tatsächlich in Ketose? Oder sind wir hier einer Marketing-Lüge einer inzwischen nicht mehr unerheblichen Industrie aufgesessen?

Anfang des 20. Jahrhunderts durchgeführte, umfangreiche Studien an den damals noch nahezu unbeeinflusst lebenden Inuit ergaben, dass diese keine Ketonkörper über den Urin ausschieden und sich meist in einer guten anabolen Stoffwechsellage befanden. Die Toleranz gegenüber Kohlenhydraten war unter dieser ursprünglichen Lebensweise gut.

Wirft man einen Blick auf die Ernährung der ursprünglich lebenden Inuit (von denen es tatsächlich auch heute noch welche gibt) und konzentriert sich dabei vor allem auf die Ernährung in den Wintermonaten, so überrascht dieses Ergebnis durchaus. Denn besonders in den Wintermonaten ernähren sich die Inuit fast ausschließlich von tierischen Lebensmitteln.

Woher beziehen diese traditionell lebenden Inuit also ihre Kohlenhydrate?

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1. Glykogen aus rohem, frischem Fleisch

Um schnell größere Leistung vollbringen zu können, speichert der menschliche, genau wie der tierische Körper Kohlenhydrate in Form von Glykogen in der Muskelmasse. Wird das tierische Muskelfleisch unmittelbar nach der Tötung konsumiert, so werden diese Kohlenhydrate über das Muskelfleisch aufgenommen und stellen dem menschlichen Körper in nicht unerheblicher Menge Kohlenhydrate zur Verfügung. Wird das Fleisch aber nicht umgehend konsumiert oder sofort nach der Tötung gefroren, so ist bereits 24 Stunden später fast sämtliches Glykogen zersetzt.

Größere Mengen Glykogen finden sich ebenfalls in der Haut und in den Drüsen des Körpers. Um von diesem profitieren zu können, müssen sowohl die Haut als auch die Drüsen roh konsumiert und unmittelbar nach der Tötung gegessen werden. Da roher Tierhoden nicht unbedingt zur heutigen Ernährung gehört, außer man ist Teilnehmer im Dschungelcamp, wurde diese Möglichkeit der Kohlenhydrataufnahme in unseren Breitengraden fast vollständig vergessen.

Tatsächlich kauen die Inuit fast ständig auf roher Walhaut herum. Angeblich schmeckt diese süß und ausgesprochen lecker. Ob dies auch für Nicht-Inuit gilt, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Eine weitere Quelle ist frisches, rohes Blut. Die roten Blutkörperchen, die Erythrozyten, sind so genannte essenzielle Glukoseverwerter. Dies bedeutet, dass sie auch nur mit Zucker funktionieren können. Aus diesem Grund enthalten sie davon auch immer einen gewissen Anteil. Allerdings ist auch hier Schnelligkeit gefragt, denn der Zucker der Erythrozyten geht innerhalb von Stunden vollständig verloren. Eine relevante Kohlenhydrataufnahme kann nur gelingen, wenn dieses Blut direkt aus der Arterie des  getöteten Tieres  getrunken wird. 

Eine Praxis, die sowohl bei den Inuit als auch bei den Massai zur traditionellen Lebensweise gehört. Auch (westliche) Forscher haben an sich selbst diese Ernährung ausprobiert:  sie beschrieben das Gefühl nach dem Konsum des Blutes so, als ob tatsächlich die Lebenskraft des Tieres aufgenommen worden wäre und zusätzlich empfanden sie dabei  einen sofortigen Schub an Energie sowie eine deutliche Verbesserung des Befindens. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass dies durch den Schub an Glucose zustande kommt, nach dem der Körper der Inuit in hohem Maße verlangt.

Auch die in großer Menge Glykogen enthaltene Leber wurde von den Inuit unmittelbar nach der Tötung roh gegessen und war so beliebt wie Süßigkeiten. Der so genannte Blubber des Wals enthält, was wenig bekannt ist, ebenfalls zu 25 % Kohlenhydrate, welche an tierisches Protein gebunden sind.

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2. Glukose aus bei Zersetzung entstehender freiwerdenden Protein-Zucker-Verbindungen

Ein großer Teil der Baustoffe unseres Körpers setzt sich sowohl aus Zucker als auch aus Proteinen zusammen. Diese nennen wir die sogenannten Glykane. In ihrer normalen Form sind diese für den Körper unverdaulich, dienen jedoch der Darmflora als Prebiotika und helfen dabei, den Darm gesund zu erhalten. Wer schon einmal glykanhaltiges  Fleisch mit Sehne und Knorpel (wie zum Beispiel Suppenfleisch) im Slowcooker zubereitet hat und eine weniger hieran gewöhnte Darmflora beherbergt, weiß vielleicht wovon ich rede…

Für unseren Dünndarm werden diese Zuckermoleküle erst dann resorbier- und verfügbar, wenn sie aus ihrer Protein Verbindung herausgelöst wurden. Das passiert während eines Autolyseprozesses (oder kurz gesagt:  während sie verrotten).

Bei den Inuit war es üblich, frischgefangenes Fleisch sehr eng, unter Ausschluss von Luft, in Tierhaut einzunähen und dieses dann unter einer Eisscholle über mehrere Monate liegen zu lassen. Dieses Fleisch wurde dann während der Wintermonate gegessen. Übrigens gilt auch heute noch in Schweden ein ähnlich zubereiteter Haifisch als Delikatesse – wer einmal dem Öffnen einer solchen Dose beigewohnt hat, weiß aber, dass dieses Schmankerl für den Mitteleuropäer eher schwer zu essen ist…  Und auch wenn nun hier diverse pathologische Keime vermutet werden, tatsächlich helfen diese autolysierten Fleischgerichte sogar dabei, den Darm gesund zu halten und die gute Darmflora zu schützen.

Studien an Schlittenhunden konnten zeigen, dass Hunde, die mit dieser Art Fleisch ernährt wurden, sich durch eine hohe Leistungsfähigkeit auszeichneten und über den Winter sogar an Gewicht zunahmen. Die Hunde hingegen, die nur mit getrocknetem Muskelfleisch ernährt wurden, hatten starke Leistungseinbußen und zehrten aus.

Erweitert man nun den Blick auf die gesamte Nahrung der Inuit, so hat eine Untersuchung über die Gesamtzusammensetzung der Ernährung ergeben, dass die traditionell lebenden Inuit auf eine Verteilung von gar 50 % Fett, 30 % Protein und in etwa 20 % Kohlenhydrate aus tierischen Quellen kommen. Nur 20 % Kohlenhydrate? Das erscheint zunächst relativ wenig… Bedenkt man jedoch, dass die Inuit, schon allein um sich warm zu halten, am Tag 3000-4000 cal verbrennen, so entspricht ein Anteil von 20 % einem Kohlenhydratanteil von ca 750g Kartoffeln pro Tag…

3. Anpassungsbedingte extrem erhöhte Fähigkeit zur Glukoneogenese aus Protein

Die Inuit nehmen sehr große Mengen Protein zu sich. Nun verfügen sie über eine genetische Besonderheit: Sie sind in der Lage, dieses Protein zügig in Glukose umzubauen. Natürlich wird dafür ein Grundumsatz an Energie für diese Stoffwechselprozesse benötigt. Diesen können die Inuit aber mit Hilfe der aus tierischen Kohlenhydratquellen aufgenommenen Kohlenhydrate decken. Die tierischen Kohlehydratquellen stellen ihnen außerdem ausreichend Energie für schnelle Leistung (und eben auch für die Stoffwechselprozesse) zur Verfügung, so dass kein Eigenprotein abgebaut werden muss.

Ich hoffe, nun ist allen klar, warum die Inuit sich nicht in einem Zustand der Ketose befinden.
Es gibt nachgewiesener Weise kein Volk der Erde, das sich (außer in extremen Notsituationen) in Ketose befindet. Und es hat mit ziemlich großer Sicherheit auch nie eines gegeben.

Und zum Schluss folgt nun noch die Beantwortung meiner eingangs gestellten Frage: Was haben also die Inuit, Dschungelcamp-Bewohner und Vampire gemeinsam? Sie alle kommen in den Genuss von sogenanntem „ animalstarch“. Hast du nun auch Lust bekommen auf rohe Walhaut oder frischen Tierhoden? Na dann: Guten Appetit!

Ich hoffe, ich konnte einen weiteren Einblick in die Physiologie des Menschen geben und deutlich machen, warum manche Dinge bei genauerer Betrachtung doch ganz anders sind, als man vielleicht ursprünglich gedacht hat.

Was genau passiert, wenn wir unseren Körper in den Fastenstoffwechsel zwingen und warum 95 Oktan nicht gleich 99 Oktan sind, erkläre ich euch in einem meiner nächsten Blog-Posts.
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Quellen:

(Feldman, Ho, Lewis, Mikkelson, & Taylor, 1972; Schaefer, 1969; Tejero et al., 2010; Wilber & Levine, 1950)

Feldman, S. A., Ho, K. J., Lewis, L. A., Mikkelson, B., & Taylor, C. B. (1972). Lipid and cholesterol metabolism in Alaskan Arctic Eskimos. Arch Pathol, 94(1), 42-58.

Schaefer, O. (1969). Carbohydrate metabolism in Eskimos. Arch Environ Health, 18(1), 144-147.

Tejero, M. E., Voruganti, V. S., Cai, G., Cole, S. A., Laston, S., Wenger, C. R., . . . Comuzzie, A. G. (2010). Pleiotropic effects on subclasses of HDL, adiposity, and glucose metabolism in adult Alaskan Eskimos. Am J Hum Biol, 22(4), 444-448. doi: 10.1002/ajhb.21015

Wilber, C. G., & Levine, V. E. (1950). Fat metabolism in Alaskan eskimos. Exp Med Surg, 8(2-4), 422-425.

Studies oft the metabolim on eskimos. Peter Heinbecker. Departments of Biological Chemistry and Physiology, Washington University School of Medicine, St. Louis. July 9, 1928

Lockyer, Body composition of the sperm whale, Cambridge

They Eat That? Jonathan Deutsch Ph.D., Natalya Murakhver, 2012

Enzyme Nutrition: The Food Enzyme Concept By Edward Howell, 1985

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