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Ratgeber

Reverses T3, Stress, die Schilddrüse und der TSH – Wie man in einer Unterfunktion sein kann, obwohl es nach „völlig normal“ aussieht

Autor/in:
Simone Koch Dr. Simone Koch (Ärztin) Geprüft

geprüft von Sandy Bittner (Autoimmun-Expertin)
letzte Aktualisierung 15.02.2021

Ungefähr 11 Monate nach der Geburt meines ersten Sohnes wollte ich nur noch eines… endlich mal wieder erholsam schlafen. Ich schleppte mich wie eine lebende Tote durch die Tage und oft phantasierte ich davon, wie es wäre, wenn ich einen Unfall hätte und im Krankenhaus endlich mal wieder ein paar Nächte durchschlafen könnte.

Ich fühlte mich ausgelaugt und unendlich erschöpft. Wenn ich morgens in den Spiegel blickte, sah mich eine Fremde an: Dunkle Augenringe, trockenes, struppiges Haar und fahle, blasse Haut. Was war nur aus mir geworden?

Als mal wieder der Grippe-Virus in Berlin grassierte, hatte er mit mir leichtes Spiel und beschwerte mir eine Woche mit über 40°C Fieber und eine Lungenentzündung.Obwohl sich die Schlafsituation in den folgenden Wochen radikal verbesserte, dauerte es Monate bis ich halbwegs wieder die Alte war.

Schließlich ging ich zum Arzt, um auf Ursachensuche für meinen Erschöpfungszustand zu gehen. Bei diesem Arztbesuch wurde dann auch meine Schilddrüse kontrolliert und es wurden desaströs schlechte freie Schilddrüsenwerte bei einem TSH von 0,8 festgestellt.

Was war nur passiert?

Die Antwort liegt in einem dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel und einem daraus resultierenden Ungleichgewicht verschiedener Hormone begründet. Welche Vorgänge dabei genau in unserem Körper ablaufen und was sie zur Folge haben, möchte ich nun heute in meinem Blog näher beleuchten:

Wenn wir unter anhaltendem, starkem Stress oder einer schweren Erkrankung leiden, so führt dies zunächst zu einer erhöhten Ausschüttung von Cortisol. Auch bei entzündlichen Prozessen kann es durch die ausgeschütteten Zytokine zu einem Cortisolanstieg kommen (und dabei ist die genaue Ursache der Entzündung tatsächlich irrelevant, der Prozess an sich reicht schon, um diese Reaktion des Körpers hervorzurufen). Der Cortisolspiegel kann in solchen Fällen auch sehr drastisch erhöht sein: So wurde festgestellt, dass das Cortisollevel dieser Patienten sogar das von Cushing-Patienten (eine Krankheit, bei der sehr große Mengen an Cortisol durch die Wirkung eines Hirntumors produziert werden) überschreitet. Landläufig gilt: je schwerer oder aktiver die Erkrankung ist, desto höher ist auch die Ausschüttung an Cortisol.
Geht dieses im schlimmsten Fall auch noch einher mit einer Schilddrüsenunterfunktion, so ist der Abbau des Cortisols zusätzlich gehemmt und der körpereigene Cortisolspiegel steigt noch weiter an.

Doch was hat dieses nun genau zur Folge? In erster Linie führt dieses zu Veränderungen im Hormonhaushalt, denn Cortisol führt zum Einen zu einer verminderten Ausschüttung von verschiedenen Hormonen der Hypophyse wie TSH, LH und FSH (diese sorgen an den Geschlechtsdrüsen für die Ausschüttung von Geschlechtshormonen) und zum Anderen auch zu einer verminderten Ausschüttung von Wachstumshormonen.
Am besten kann man sich dieses bildlich durch die Drosselung eines Motorrades vorstellen: theoretisch könnte das Motorrad mit einer wesentlich höheren Geschwindigkeit fahren, aber die Drossel verhindert, dass hochgedreht werden kann. Beim Motorrad soll dies den noch jungen Fahrer vor allzu waghalsigen Manövern schützen. In unserem Körper schützt dieser Mechanismus den Menschen davor, sich völlig zu verausgaben.

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Im Falle eines nur kurzwährenden Ereignisses ist dies für den Körper auch äußerst sinnvoll, wird der Stress jedoch zum Dauerfaktor, so kann dies zu schwerwiegenden Entgleisungen im hormonellen Stoffwechsel bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen führen.

Doch ein dauerhaft hoher Cortisolspiegel führt noch zu weiteren hormonellen Folgen: bei schweren Erkrankungen, Übertraining, Unter- oder Fehlernährung und damit eben einhergehendem hohen Cortisolspiegel ist die direkte Umsetzung des Vorläuferschilddrüsenhormones T4 in reverses T3 stark erhöht. Dies entsteht durch die Hemmung des Enzyms 50-monodeiodinase, welches normalerweise T4 in T3 weiterverarbeitet. Vorstellen kann man sich das Ganze ein bisschen wie beim Backen: Der Teig ist fertig, doch der Ofen ist kaputt – daher wird aus dem Teig niemals ein Kuchen, sondern nur eine steinharte, ungenießbare Masse.

Bei bestimmten schweren Erkrankungen sinkt zusätzlich auch noch der Spiegel an T4. Dieses wiederum führt zu weiteren Problemen. Um es noch mal am Back-Beispiel zu erklären: nun ist deutlich weniger Teig vorhanden. Die Küchenmaschine (das TSH) an sich ist aber völlig in Ordnung und arbeitet korrekt. Da aber weniger Teig da ist, muss sie weniger arbeiten und läuft mit weniger Kraft. Im Körper führt dieses nun dazu, dass das TSH-Level runter reguliert wird. Übrigens kann dieser Zustand auch noch nach Ende des auslösenden Ereignisses, wie einer schweren Krankheit, einer Crashdiät oder eines Unfalls noch monatelang anhalten.

Der Rückschluss ist nun logisch: wird nun nur der Wert des TSHs allein getestet, kann man schnell zu völlig irreleitenden Ergebnissen kommen. Es kann der Eindruck einer Schilddrüsenüberfunktion entstehen, obwohl man sich völlig unterversorgt fühlt und dieses auch tatsächlich ist.
Ich rate daher dringend dazu, dass bevor man mit Schilddrüsenhormonen behandelt, immer erst die wirkliche Ursache geklärt werden sollte. Denn ansonsten kann mehr Schaden als Nutzen entstehen: Liegt tatsächlich eine unerkannte, schwere Erkrankung zu Grunde, so kann die Gabe von Schilddrüsenhormonen das Fortschreiten der Erkrankung beschleunigen!

Ist die Ursache bekannt, kann man dafür sorgen, dass das reverse T3 von den Rezeptoren der Zellen gelöst wird und die Leber es in T2 umbaut (was für den Stoffwechsel sehr nützlich wäre).

Wenn du also wissen möchtest, ob rT3 ein Grund für deine Probleme mit z.B. einer hohen Schilddrüsen- Medikation ohne gute Schilddrüsen-Werte ist, dann solltest du dieses dringend überprüfen lassen. Die Einzelmessung von rT3 kostet für Selbstzahler ca. 30€ und wird von vielen Laboren angeboten.

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