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Ratgeber

Autoimmunerkrankungen: Muskelschwund und Muskelaufbau

Autor/in:
Simone Koch Dr. Simone Koch (Ärztin) Geprüft

geprüft von Sandy Bittner (Autoimmun-Expertin)
letzte Aktualisierung 12.02.2021

Da ich der Meinung bin, dass Muskelschwund und Muskelaufbau bei Autoimmunerkrankungen und bei chronisch entzündlichen Erkrankungen ein ganz essentielles Thema ist, schreibe ich diesen Beitrag. Es ist mir sehr wichtig, darüber zu berichten, weil ich für mich persönlich die Erfahrung gemacht habe, dass genau das mein Schlüssel zum Wohlbefinden war und der Schlüssel dazu, dass ich kaum noch Beschwerden habe. 

Beispielsweise sind meine Schlafstörungen so gut wie komplett verschwunden durch die deutlich größere Muskelmasse, die ich inzwischen aufgebaut habe. Ich glaube, dass diese Dinge bei vielen einen Anteil am persönlichen Befinden haben, sodass ich erklären möchte, warum der Körper reagiert und welche Problematiken dahinterstehen.

Wie kommt es zum Muskelschwund?

Wenn ein Patient mit einer Schilddrüsenerkrankung zu mir in die Praxis kommt, wird recht häufig berichtet, dass er entweder deutlich an Gewicht zugelegt oder auch innerhalb weniger Wochen an bis zu zehn Kilogramm Gewicht verloren hat, ohne dass er das wollte. Der Patient beschreibt in dem Fall, dass er das Gefühl hat, überhaupt keine Muskulatur mehr zu haben, obwohl er nach wie vor regelmäßig seinen sportlichen Aktivitäten (meistens in der Art von Ausdauersport) nachgeht.

Woran liegt das?

Bei einer chronischen Entzündung, einer inflammativen Erkrankung, werden bestimmte Zytokine ausgeschüttet – oft in relativ großer Menge und vor allen Dingen im Schub TNF alpha, Interleukin 1 und Interleukin 6. Genau diese Ausschüttung führt zum Muskelschwund, zu einem direkten Verlust von Muskelmasse. Man dachte früher, es hätte etwas mit Cortisol zu tun, stellte dann aber in Studien fest, dass das Auslösen des Muskelmasseverlustes nicht am Cortisol, sondern am Zytokin liegt.

Warum verhält sich unser Körper so?

Unser Immunsystem liebt Zucker über alles und möchte gern damit gefüttert werden. Das ist einer der Gründe, warum Verhaltensweisen wie absolutes Fasten oder auch ketogene Ernährung so gut funktionieren, wenn man die Entzündungsreaktion erst einmal runterbringen möchte, denn dann bekommt das Immunsystem den gewohnten Zucker nicht mehr und kann bestimmte Dinge, die es gerne macht, aber die eventuell nicht gut sind, nicht weiter fortführen. 

Das Immunsystem versucht sich in diesem Fall selbst zu versorgen und hält sich für deutlich wichtiger als die Muskulatur. Es fängt an, die Muskeln in kürzester Zeit zu zersetzen, um auf schnellstem Wege zur Verfügung stehende Energie zu schaffen, weil bestimmte Aminosäuren aus den Muskeln über die Gluconeogenese sehr zügig in Glucose umgewandelt werden können.

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Das ist der Mechanismus dahinter und eigentlich ist das super, was sich die Evolution dahingehend überlegt hat. War der Urmensch damals auf der Jagd und hat sich verletzt, was zu einer akuten Entzündung führte, konnte er sich erst einmal nicht weiter bewegen. Dennoch verblieb durch diesen Mechanismus für zwei, drei Tage noch genügend Energie, bis er halbwegs geheilt war, sodass er dann wieder in der Lage gewesen ist, auf Nahrungssuche zu gehen.

Bei einer chronischen Entzündung, einer Autoimmunerkrankung, ist das allerdings ein schwerwiegendes Problem, denn es hält über Monate an, sodass dieser Mechanismus dauerhaft läuft und immer wieder angetriggert wird. Man verliert zum Teil große Mengen an Muskelmasse und es kommt zu einem oft rapiden Gewichtsverlust. Statistiken zeigen auf, dass der Körper diesen Verlust an Muskelmasse recht zügig durch Fett ersetzt. 

Das löst weitere Probleme aus, denn das Fett verstärkt wiederum den Entzündungsprozess, sodass die Situation insgesamt schlimmer wird. Gleichzeitig führen diese andauernde Spirale und die Zytokine dazu, dass weniger Androgene ausgeschüttet werden, woraufhin es zu einem noch geringeren Erhalt der Muskelmasse kommt.

Es hat also insofern mit Hormonen zu tun, dass nicht genügend Androgene zur Verfügung stehen, doch der Verlust an Muskelmasse ist in erster Linie den Zytokinen zu verdanken. Durch diese chronische Entzündungslage hat der Körper das Gefühl, für die Reproduktion überhaupt keine Energie zu habe. Und deswegen werden auch die Geschlechtshormone heruntergefahren. Sie kommen zum Teil total durcheinander und bei Frauen bleibt daraufhin oft die Menstruation aus.

Was kann man gegen Muskelschwund tun und warum spielt der Muskelaufbau so eine große Rolle?

Wirklich hilfreich ist progressives Muskeltraining mit Gewicht. Studien haben ergeben, dass viele Menschen mit Erkrankungen wie Hashimoto Thyreoiditis, die mit Schmerzen in den Gelenken und Gliedern einhergeht, das Bedürfnis verspüren, Muskeltraining zu machen.

Beispiel: Eine Hantelstange mit 40 Kilogramm auf die Schultern legen und damit Kniebeugen machen. Erst einmal wirkt das kontraintuitiv, aber es ist das Einzige, was wirklich hilft. Das Training mit Gewicht führt zu einem erhöhten Aufbau neuer Muskeln und zur Stärkung der Sehnen und Knochen. So lässt sich dieser Muskelschwundprozess stoppen. Und dieses Stoppen sowie der Abbau von Fettgewebe helfen wiederum, den Entzündungsprozess zu stoppen. Und wenn der Entzündungsprozess gestoppt wird, kann man wieder mehr Muskeln aufbauen.

Auf der anderen Seite ist unsere Muskulatur einer der Hauptträger unserer Mitochondrien. Mehr Muskelmasse bedeutet immer auch mehr Mitochondrien, mehr beanspruchte Muskeln bedeuten eine höhere Mitochondrien-Dichte und -Leistungsfähigkeit und es erfolgt eine Aussortierung der Mitochondrien, die nicht gut sind. Also jedes Mal, wenn man seine Muskulatur voll einsetzt und sehr viel Gewicht bewegt oder beispielsweise ein High Intensity Intervalltraining macht, erkennt der Körper, ob genügend ATP (Adenosintriphosphat – die kleinste Energieeinheit unseres Körpers) vorhanden ist.

Wenn davon nicht genügend zur Verfügung steht, muss der Körper Anpassungen durchführen, damit beim nächsten Mal genug ATP da ist. Er fängt dann an, die fehlerhaften Mitochondrien auszusortieren und in der Folge in den nächsten ein bis zwei Wochen bessere zu produzieren.

Welches Training ist geeignet – welches nicht?

Ausdauersport wie Laufen und Schwimmen funktioniert definitiv nicht, um im wesentlichen Umfang Muskelmasse aufzubauen. Zudem muss für die Ausdauerbelastung pausenlos Zucker aus Proteinen zur Verfügung gestellt werden. Feldenkrais oder auch Pilates sind super, werden jedoch in dieser Hinsicht ebenfalls nicht helfen.

Für einen wirklichen Muskelaufbau und einen besseren Sehnen- und Knochenapparat muss echtes und höheres Gewicht bewegt werden. Keine Angst: Das Bewegen von Gewichten vermännlicht das Aussehen einer Frau nicht, wenn sie nicht zusätzlich irgendwelche verbotenen Steroidhormone nimmt. Davon rate ich sowieso generell ganz dringend ab.

Crossfit auf normalem Level kann ich für Menschen mit Autoimmunerkrankungen nicht empfehlen. Es ist eine wahnsinnig hohe Belastung für die Nebenniere.

Der Balanceakt auf dem Seil ist das Finden einer Sportart, die zum Aufbau von Muskelmasse führt, zum Abbau von Stresshormonen und zum Abbau von entzündlichen Zytokinen, ohne die Nebenniere zu belasten.

Die Videos in meinem Abnehmkurs enthalten unter anderem die Grundübungen des Kraftsports. Dazu gehören der Bench Press (Bankdrücken nach vorn), der Military Press (nach oben), Kreuzheben, Kniebeugen und das Ziehen. Das sind die Übungen für den Muskelmasseaufbau, mit denen man im Prinzip gut auskommt. Entscheidend ist, dass man diese Art von Krafttraining macht. Geht man beispielsweise nur an ein Gerät, an welchem man die Arme zusammendrücken soll, bewegt das lediglich den Brustmuskel und etwas die Arme. Viel mehr passiert nicht.

Beim Bankdrücken muss man Beine und Po anspannen und den Rücken in seine natürliche Lordose bringen, um das Gewicht bewegen zu können. Beim Akkord- oder Kreuzheben muss der ganze Körper inklusive Bauch und autochthone Rückenmuskulatur angespannt sein, um das Gewicht hochzukriegen. Die Belastung dieses hohen Gewichtes führt zu einem extremen Reiz des Wachstums für den kompletten Sehnen- und Knochenapparat sowie zu einem gesamtheitlichen Muskelwachstum. Das alles sind Übungen, die immer den ganzen Körper ansprechen – und das ist das Entscheidende.

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Wie lange dauert es, bis genügend Muskelmasse aufgebaut ist?

Bevor ich einen Trainer hatte, habe ich Crossfit gemacht, da ich wusste, wie es geht. Mir ging es jedoch sehr schlecht und ich war super schlapp und total fertig. Daher suchte ich mir jemanden, der mit mir kontrolliertes Training machte. Das Ergebnis ist, dass ich innerhalb von anderthalb Jahren laut BIA-Messung fast 11 Kilogramm Muskelmasse aufgebaut habe. Das ist für eine Frau sehr viel und kommt natürlich dadurch, dass kaum noch Muskelmasse vorhanden war. Ein völlig normaler Mensch mit einer normalen Menge an Muskeln kann in einem so kurzen Zeitraum auf keinen Fall so viel Muskelmasse aufbauen. Mittlerweise ist es bei mir wie bei anderen auch.

Wenn man eine Autoimmunerkrankung hat und in der Startphase durch das Training schon etwas aus der Entzündungsphase heraus ist, kann man wirklich sehr gute Ergebnisse erzielen. Die aufgebaute Muskulatur hat dann ganz viele positive Begleiterscheinungen:

  • mehr Energie für 24 Stunden – sieben Tage in der Woche
  • Stresshormonabbau (die Überstimulation des Stresssystems geht runter)
  • Stimulation des Parasympathikus
  • deutlich weniger Cortisolausschüttung
  • Harmonisierung der Tages- und Nachtrhythmen etc.

Anfangs baut sich die Muskelmasse noch sehr schleppend auf. Der mit dem Muskelschwund einhergehende, zum Teil erhebliche Knochenmasseverlust sollte möglichst mit Androgenen unterstützt werden, um spontanen Brüchen in den Füßen oder in den Oberschenkelknochen, Morbus Ahlbäck und Ermüdungssymptomen vorzubeugen. Solche Geschichten werden oft mit Bisphosphonaten behandelt. Doch es gibt Studien dazu, dass die Behandlung mit Androgenen und Phytoandrogenen eigentlich wirksamer und besser ist als die Behandlung mit Knochenabbau-Hemmern.

Leider haben die natürlichen Hormone und auch die Phytohormone keine Lobby. Man kann damit kein Geld verdienen und deswegen wird das von den meisten Ärzten nicht gemacht. Der Grund dafür ist, dass keiner dafür Werbung macht und es dadurch einfach nicht bekannt ist. Für Bisphosphonate wird sehr viel Werbung gemacht, auch wenn es Medikamente sind, die mit einem ganz hohen Nebenwirkungspotenzial einhergehen.

Fazit: Am Anfang braucht man ein bisschen Geduld und manchmal auch ein bisschen mehr Geduld, weil es ganz schön hart sein kann.

Reicht es zweimal die Woche?

Wenn man zweimal die Woche jeweils anderthalb Stunden trainiert, dann ist das eine super lange Zeit am Stück und dadurch eine ganz hohe Belastung für den Körper – somit nicht gewinnbringend. Ich bin der Meinung, dass man mindestens dreimal in der Woche trainieren sollte. Ich persönlich trainiere an fünf Tagen pro Woche jeweils etwa 45 Minuten.

Gibt es einen Tipp gegen Muskelkater?

Die meisten Menschen, die eine chronisch entzündliche Erkrankung haben, kämpfen extrem mit Muskelkater. Die Ausschüttung von entzündlichem Interleukin und entzündlichen Zytokinen – unter anderem auch das Muskelkater fördernde Prostaglandin E2 – ist erhöht und zu stark. Leider wüsste ich nicht, was wirklich helfen kann. Man muss da durch. Gut ist, wenn man einfach moderat anfängt, denn es wird glücklicherweise mit der Zeit deutlich besser.

Die richtige Herangehensweise an das Training ist das A und O

Warum wird überall mit Geräten trainiert? Weil es gefährlich sein kann, wenn man diese Übungen falsch macht. Man kann sich in diesem Fall tatsächlich schnell verletzen. Macht man die Übungen richtig, gibt es nichts, was so wirkungsvoll ist wie Krafttraining.

Es ist nicht ratsam, die Übungen für das Krafttraining mit einem YouTube-Video zu erlernen. Nach Möglichkeit sollte man sich einmal für zwei bis drei Stunden einen guten Trainer suchen, der einem zeigt, wie es genau geht. Ein Profi weiß es genau und kann erklären, wie es funktioniert. Und er kontrolliert in Abständen die Entwicklung des Körpers durch das Training.

Deshalb war mir dieser Blogbeitrag sehr wichtig, denn ich habe sehr viele Jahre lang falsch trainiert. Wenn ich gewusst hätte, was ich mit dem erreichen kann, was und wie ich es jetzt mache, hätte ich viel Zeit und Mühe sparen können.

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