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Ratgeber

Autoimmunerkrankungen und Östrogenmangel – Teil 1 – Ursachen und Bekämpfung

Autor/in:
Simone Koch Dr. Simone Koch (Ärztin) Geprüft

geprüft von Sandy Bittner (Autoimmun-Expertin)
letzte Aktualisierung 12.02.2021

Nachdem wir das Thema Östrogendominanz ausführlich besprochen haben, seid ihr auf mich zugekommen und habt um Informationen über das Gegenteil – den Östrogenmangel – gebeten. Sehr gerne gehe ich in diesem Blogartikel darauf ein.

Und es geht direkt los: Am wichtigsten ist, dass man sich die Hormonachsen in diesem Zusammenhang anschaut, um herauszufinden, welche Ursache ein Mangel haben kann. Im Prinzip lassen sich die Gründe für einen Mangel an Östrogen auch auf alle anderen Hormone übertragen. Das ist für die Hormonachsen allgemeingültig. Ich finde es sehr wichtig, das deutlich anzusprechen, da es diesbezüglich viele Verständnisschwierigkeiten und somit auch Probleme bei der Behandlung gibt.

Primäre, sekundäre und tertiäre Östrogenmängel

Hinsichtlich eines Hormonmangels gibt es immer einen tertiären Mangel, einen sekundären Mangel und einen primären Mangel.

Beispiele für einen primären Mangel

Das hormonproduzierende Organ ist kaputt – wie zum Beispiel bei der Hashimoto-Thyreoiditis, wo der Körper die Schilddrüse nach und nach zerstört und dann einfach keine Schilddrüse mehr da ist. Und ohne Schilddrüse gibt es keine Schilddrüsenhormone. Das ist ein primärer Mangel/eine primäre Störung. Oder auch, wenn die Schilddrüse herausgenommen wurde, weil sie beispielsweise ganz viele Knötchen hatte oder weil man Krebs hatte. Dann besteht ein primärer Mangel.

Es gibt auch eine autoimmune Zerstörung der Ovarien bei Frauen. Das ist dann der sogenannte POF – der Premature Ovarian Failure. Das ist ein vorzeitiges Versagen der Eierstöcke, was auch autoimmunbedingt ist. POF ist eine Ursache für einen primären Östrogenmangel. Eine weitere Ursache für einen primären Östrogenmangel kann zum Beispiel die Entfernung des Ovars wegen eines Tumors oder dergleichen sein.

Auch Endometriose wäre möglicherweise eine Ursache – also wenn an den Eierstöcken immer wieder starke Verklebungen und Entzündungen vorhanden waren und somit die Eierstockfunktion eingeschränkt ist. Weiterhin gibt es bestimmte bakterielle Infektionen. Chlamydien sind ein ganz wichtiger Punkt. Wenn diese zu massiven Verklebungen im Bereich der Eierstöcke führen, dann kann auch das zu einem primären Versagen oder einer primären Fehlfunktion der Ovarien führen.

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Ebenso kann das PCOS eine primäre Ursache sein, wobei es in diesem Fall nicht nur primär ist. Es ist PCOS, wenn die Ovarien wirklich sehr vergrößert sind, polyzystisch sind oder eine narbige Oberfläche haben, was bei PCOS manchmal der Fall ist.

Wichtig und wissenswert ist dahingehend aber: Das PCOS ist nur eine Beschreibung eines Symptomkomplexes. Es kann sein, dass man ein PCOS hat, obwohl man überhaupt keine polyzystischen Ovarien hat. Das klingt jetzt etwas kontraintuitiv – ist es auch. Der Name ist allerdings als Polyzystisches Ovar-Syndrom festgelegt worden, weil bei diesem Syndrom häufig polyzystische Ovarien zu finden sind, aber nicht immer. Verwirrend, aber dennoch festgelegt.

Beispiele für einen sekundären Mangel

Die Drüse ist kaputt. Bei einer sekundären Störung kommt es zur Hormonausschüttung aus der Hypophyse. Die Stimulation der Drüse über die Hypophyse funktioniert nicht vernünftig. Das haben wir im Falle Schilddrüse beispielsweise beim Euthyroid-Sick-Syndrom. Die Hypophyse schüttet kein TSH aus, weil der Körper aus irgendwelchen Gründen nicht möchte, dass die Schilddrüse stimuliert wird und dass der Stoffwechsel ausreichend und vernünftig läuft – zum Beispiel, weil gerade eine akute Infektion vorhanden ist.

Eine starke Mangelernährung kann auch ein Auslöser sein. Bei Anorexien oder bei langfristig unterkalorischen Low-Carb-Diäten tritt das ganz ausgeprägt und relativ schnell auf, selbst wenn Frauen noch in einem völlig normalgewichtigen Bereich sind. Bei jungen Mädchen, die in einem sehr kurzen Zeitraum hoch unterkalorisch mit einer Low-Carb-Diät beziehungsweise mit einer Keto-Diät abgenommen haben, sehe ich das relativ häufig. Da passiert das ganz schnell, dass die Hypophyse auf der ganzen Ebene komplett dicht macht und keine Stimulation mehr stattfindet.

Es kann beim Euthyroid-Sick-Syndrom nur die Schilddrüse betreffen. Es kann nur die Eierstöcke betreffen, dass es zu einer hypophysären Amenorrhoe kommt, die Eierstöcke also nicht ausreichend über die Hypophyse stimuliert werden. Hinsichtlich der Hypophyse müssen die Gonadotropine (Gonadotropin-Releasing-Hormon = GnRH) untersucht werden, weil dann die Werte von LH und FSH untersucht werden müssen, um dann wiederum die Eierstöcke zu stimulieren. Man schaut in dem Fall also nach LH und FSH, wie viel davon jeweils ausgeschüttet wird, um herauszufinden, ob das ein hypophysäres Problem ist und dadurch ein Östrogenmangel ausgelöst wird. Wenn also die Hypophyse nicht richtig arbeitet, handelt es sich um eine sekundäre Störung.

Beispiele für einen tertiären Mangel

Schlussendlich haben wir die oberste Kontrollinstanz, die im Gehirn sitzt: den Hypothalamus. Wenn der Hypothalamus nicht richtig arbeitet, dann liegt tertiäre Störung vor. Das ist im Prinzip das Schlimmste und tritt auf, wenn der Körper irgendwann einfach streikt.

Dass die zugrundeliegende Ursache eine tertiäre Störung ist, passiert zum Beispiel am häufigsten bei der Nebennierenfehlfunktion. In diesem Fall wurde über einen kurzen Zeitraum so extrem viel Cortisol ausgeschüttet, dass der Rückkopplungsmechanismus im Hypothalamus sagt: „Nein, jetzt reicht es.“ Dann machen wir dicht. Wir sind nicht mehr ansprechbar für uns und wir produzieren auch nichts mehr weiter an Hormonen, weil die oberste Schaltzentrale nicht mehr vernünftig arbeitet.

Was steht dahinter?

Das ist die erste Frage, die bei einem Östrogenmangel unbedingt geklärt werden muss

Leider ist es möglich, dass man auch von POF betroffen ist, das Ovar also autoimmun zerstört wurde, wenn man bereits eine andere Autoimmunerkrankung wie zu Beispiel Lichen Sclerosus, Hashimoto-Thyreoiditis, Multiple Sklerose oder dergleichen hat. 

In diesem Fall ist es so ähnlich wie bei der Schilddrüse. Dann lässt sich leider nicht mehr so wahnsinnig viel machen. Gegebenenfalls ist eine bioidentische Hormonersatztherapie dann noch sinnvoll – möglichst physiologisch und möglichst gut.

Liegt eine hypophysäre Störung vor?

Weiterer Klärungsbedarf besteht für die Frage, ob es sich um ein hypophysäres Problem handelt. Ein hypophysäres Problem lässt sich beheben – es sei denn, die Hypophyse ist auch zerstört worden in irgendeiner Form. Es gibt autoimmune Zerstörungen der Hypophyse – primäre Hypophysen-Insuffizienzen, die autoimmunbedingt sind. Das ist möglich und in dem Fall kann man auch nicht so wahnsinnig viel machen.

Es kann aber sein, dass es etwas Funktionelles ist. Dies ist der Fall, wenn der Körper nicht möchte, dass eine Stimulation stattfindet – aus welchen Gründen auch immer. Wenn man zum Beispiel eine starke Schilddrüsenunterfunktion hat, dann kann es sein, dass das registriert wird und der Körper als Folgereaktion dafür sorgt, dass man unfruchtbar wird, weil ein Kind sowieso verlorengehen würde. Der Verlust der Fertilität ist also eine ganz typische und relativ häufige Folge von starken Schilddrüsenunterfunktionen. 

Es gibt demnach Situationen, bei denen der Körper entscheidet, dass Fertilität nicht sinnvoll ist. Gleiches gilt auch wieder bei Anorexie beziehungsweise bei über einen längeren Zeitraum stark unterkalorischen (und hier vor allen Dingen auch stark kohlenhydratreduzierten) Diäten. Auch das ist etwas, was leider häufig zu diesem Phänomen führt, dass der Körper entscheidet: Okay, eine jetzt eintretende Schwangerschaft könnte nicht gehalten werden und das Kind würde sowieso verlorengehen.

Das sind die hypophysären Störungen. Die können funktionell sein, die können primär durch eine autoimmune Zerstörung der Hypophyse kommen – oder es gibt relativ selten ein Syndrom, dessen Name mir jetzt nicht mehr einfällt. 

Aber ich kann es erklären: Wenn man sehr viel Blut nach einer Geburt verliert, dann wird die Hypophyse aus irgendwelchen Gründen nicht mehr vernünftig durchblutet. Und dann kann es sein, dass ein Teil oder sogar ein Großteil der Hypophyse abstirbt. Manchmal regeneriert sich das hinterher wieder, aber meistens nicht mehr. Ein massiver Blutverlust unter der Geburt kann auch mit eine Ursache für eine Zerstörung der Hypophyse sein, die dann wiederum auch Folgen für alle Drüsen hat.

Schilddrüsenhormon T3 - der Motor jeder Zelle

Nachtrag zum Hypothalamus

Probleme mit dem Hypothalamus gibt es oft, wenn es zu einer Überstimulation kam – also aus irgendwelchen Gründen eine sehr starke Östrogendominanz vorhanden war. Manchmal löst die Pille eine tertiäre Störung aus. Das ist natürlich die schlimmste Ursache. 

Wenn ihr dahingehend eine Diagnostik macht und es wird festgestellt, dass es einen positiv ausfallenden GnRH-analogen Stimulationstest gibt, dann muss auf jeden Fall ein MRT des Kopfes gemacht werden, um einen Tumor auszuschließen. Das wäre die schlimmste Ursache für eine vom Hypothalamus ausgehende Störung.

Es ist ganz wichtig, sich darüber klar zu werden, dass es nicht definitiv immer an Schwierigkeiten mit einem Organ liegt. Die Lösung ist dementsprechend auch nicht immer, dass man einfach Hormone von außen zuführt. Man sollte die einzelnen Probleme nach oben hin und das Spiel der Hormone miteinander zueinander betrachten.

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Welche Symptome zeigen sich bei einem Östrogenmangel?

Ein häufiges Symptom ist, dass die Haare an Glanz und Dichte verlieren – bis hin zum Verlust des Vortexhaares (Unterhaar). Haarverlust insgesamt kann ein Zeichen für einen Östrogenmangel sein. Gleiches gilt für die Haut. Die wird nicht gut durchblutet, hat keinen Glanz und es treten vermehrt Faltigkeit und Trockenheit auf.

Extreme Trockenheit der Schleimhäute kann auch Augen und Mund mit betreffen – vor allen Dingen aber natürlich die Scheide. Libido-Verlust, Lustlosigkeit, keinerlei Lust auf sexuelle Aktivitäten, Kraftverlust, Schlafstörungen – ein ganz typisches Symptom bei Östrogenmangel – und zum Teil auch Konzentrationsstörungen, Depressionen und Stimmungsschwankungen. Das sind die typischen Symptome im Allgemeinen.

Es können auch Symptome wie in den Wechseljahren auftreten. In dem Fall kommt es darauf an, ob es primär, sekundär oder tertiär ist. Als erste Diagnostik kann man schon diese typischen Hitzewallungen mitnehmen, die man aus den Wechseljahren kennt – Symptome, die durch die massiven Ausschüttungen an LH und FSH von der Hypophyse ausgelöst werden. Hat man also einen massiven Östrogenmangel, aber keine Hitzewallungen, dann ist davon auszugehen, dass das Problem nicht im Ovar liegt, sondern in der Hypophyse oder im Hypothalamus. 

Wenn starke Hitzewallungen mit dem Östrogenmangel einhergehen, dann ist es ziemlich sicher ein Problem des Ovars. Dann versuchen die übergestellten Instanzen noch, das Ovar zu stimulieren und dafür zu sorgen, dass wieder entsprechend ausreichend Östrogen produziert wird.

Wo sollte der Östrogenspiegel liegen?

Optimalerweise testet man Östrogen am sechsten oder siebten Zyklustag, weil wir dafür dann die Normwertkurven haben. Wenn man jetzt zum Arzt geht und sagt: „Ich möchte bitte meinen Östrogenspiegel-Test haben.“ und der liegt bei 30, dann ist das in der Kurve im Normbereich, weil diese Kurven einen komischen Normbereich haben. Für eine noch fertile und noch nicht so alte Frau ist das allerdings viel zu niedrig. Ein Östrogenspiegel von 30 ist total unnormal und sollte so nicht sein.

Doch auch noch bei 20 oder 25 fällt man noch in den Normbereich. Aber für eine 30-jährige Frau ist das unterirdisch. Der Östrogenspiegel sollte vom sechsten bis achten Zyklustag möglichst zwischen 80 und 150 liegen. Alles darunter ist zu wenig und kann zu Symptomen führen. Und wenn man den Östrogenspiegel leicht anhebt, kann das das Befinden verbessern.

Besonders wichtig ist: Man kann eine Östrogendominanz haben – also zu viel Östrogen im Verhältnis zum Progesteron – und trotzdem einen Östrogenmangel. Das kann auch beides gleichzeitig auftreten. Wenn man einen Östrogenspiegel von 30 hat, aber gar kein Progesteron produziert, besteht trotzdem eine Östrogendominanz, weil zu viel Östrogen im Verhältnis zum Progesteron vorhanden ist, auch wenn insgesamt deutlich zu wenig Östrogen zur Verfügung steht.

Können Östrogenmangel und Progesteronmangel gleichzeitig auftreten?

Das ist auf jeden Fall gleichzeitig möglich. Es läuft sogar oft miteinander einher und passiert recht häufig. Es kann sein, dass kein Ei stimuliert wird, wenn man einen Östrogenmangel hat. Demnach erfolgt keine vernünftige Schleimhaut-Stimulation, kein Ei-Wachstum und somit kein Eisprung. Und durch den nicht vorhandenen Eisprung hat man dann auch einen Progesteronmangel, weil in der zweiten Zyklushälfte kein Progesteron da ist. Östrogendominanz mit gleichzeitig funktionellem Östrogenmangel gehen häufig Hand in Hand.

Was kann man gegen Östrogenmangel tun?

Bei einer Nebennierenschwäche wird oft so behandelt, als wäre die Nebenniere krank und somit ein primäres Problem. Das ist sie allerdings in den wenigsten Fällen. Meistens handelt es sich um ein sekundäres oder tertiäres Problem, was sich nicht beheben lässt, indem man einfach nur das Hormon gibt.

Wahnsinnig wichtig finde ich deshalb, dass man über die Behandlung von Östrogenmangel besser Bescheid weiß. In Teil 2 erfahrt ihr, wie man diese Mangelerscheinungen behandeln sollte.

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